Hinter den Kulissen der Museen Muttenz
Barbara Rebmann
Machen wir uns einmal bewusst, was zum selbstverständlichen Lebensstandard in unserer heutigen Zeit gehört: Alle Haushaltungen sind mit elektrischem Licht, Heizung, Kühlschrank und Tiefkühler, mit Mikrowelle, Waschmaschine für Geschirr und Kleider, Kochherd und Staubsauger u.v.m. ausgerüstet. Handy, Internet, TV und Radio eröffnen drahtlos überall eine weltweite Information und Kommunikation. Ferienreisen in einst unerreichbare Länder, Kino- oder Konzertbesuche stehen ebenso auf dem Programm wie das Einkaufen in grossen Einkaufszentren oder Online-Shops, in denen man nicht nur alles Notwendige, sondern auch alles Überflüssige erstehen kann. Die tägliche Ernährung wird nicht mehr von der Jahreszeit und dem eigenen Garten bestimmt, sie ist nur noch eine Frage der Auswahl aus dem riesigen, weltweiten Angebot.
Am Thema «Freizeit» lässt sich der stattgefundene Wandel besonders gut aufzeigen. Noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hatten Fabrikarbeiter keine Ferien, eine 6-Tage-Woche und weitaus längere Tagesarbeitszeiten von 12 bis zu 15 Stunden als wir es heute gewohnt sind. In der Landwirtschaft richtete sich die Arbeitszeit ausschliesslich nach der Jahreszeit und nach den Bedürfnissen der eigenen Tiere. Garten- und Feldarbeit war zudem abhängig von der Witterung. Die Kartoffelernte konnte erst beginnen, wenn die Kartoffeln reif waren. Das Heuen musste vor dem nächsten Regenguss beendet werden, ohne dass man Wetter-Apps zur Verfügung hatte. Es wurde solange gearbeitet, wie es im Moment nötig war und das Tageslicht es zuliess. War es dann im Winter draussen zu finster und kalt, wurden Vorbereitungs- und Flickarbeiten im Hause verrichtet. Freizeit im heutigen Sinn war damals für den allergrössten Teil der Bevölkerung unbekannt.
Eine Hausfrau war einen grossen Teil ihrer Zeit damit beschäftigt, für ihre Familie Nahrung im Garten anzubauen, sie zu ernten und haltbar zu machen. Da gab es keine Tiefkühlpizza, die man in den Ofen stecken konnte und keine Pommes aus dem Schnellimbiss um die Ecke. Kleidung musste meistens auch selber genäht und gestrickt werden.
Wer um die Mitte des 20. Jahrhunderts geboren ist, hat die geschilderten Lebensverhältnisse noch so miterlebt. Den heutigen Kindern und auch schon deren Eltern-Generation ist diese Situation inzwischen gänzlich unbekannt und kaum mehr vorstellbar. Umso wichtiger ist es aufzuzeigen, dass das heute Selbstverständliche erst in jüngster Zeit so geworden ist. Noch leben viele Menschen unter uns, die berichten können über diese verschwundenen Lebens- und Arbeitsverhältnisse und ihre damalige Kindheit ohne Handy-Terror. Es ist wichtig, möglichst viele dieser persönlichen Erinnerungen festzuhalten und nicht verloren gehen zu lassen, Erinnerungen an ganz alltägliche Verrichtungen, Freuden, Leiden und Ängste. Hören wir ihnen zu.
Vermutlich ist der heutigen «Spass- und Wegwerfgesellschaft» nicht bewusst, was sie durch ihren bequemen Lebensstil schon alles an Wissen um Überlebenstechniken verloren hat. Nur wenige Generationen weiter wird die Vergangenheit dann wieder interessant und erforschenswert sein. Dann werden aber die hierzu nötigen Informationen bis auf wenige aktenkundige Fakten fehlen. Darum sammelt die Arbeitsgruppe Museen nicht nur Fotos und Gebrauchsobjekte, sondern vor allem die dazu gehörenden Alltagsgeschichten.